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Logo Dr. Kerstin Stellermann-Strehlow  - Traumahilfe

EMDR mit Kindern und Jugendlichen - darf ich das?

  • Autorenbild: kerstinstellermann
    kerstinstellermann
  • vor 2 Tagen
  • 3 Min. Lesezeit

In sozialen Medien taucht immer wieder die Behauptung auf, man dürfe Kinder und Jugendliche „offiziell nicht mit EMDR behandeln“. Diese Aussage ist fachlich falsch – und sorgt immer wieder für Verunsicherung. Auch in meinen Seminaren werde ich regelmäßig darauf angesprochen.

Daher hier eine kompakte, fachlich fundierte Zusammenfassung des aktuellen Stands.


1. Internationale Empfehlungen

Die World Health Organization (WHO) empfiehlt seit 2013 EMDR – ebenso wie traumafokussierte KVT – für traumatisierte Kinder und Jugendliche.

Diese Empfehlung wurde 2024 erneut bestätigt.


2. Nationale Leitlinie

Die S3-Leitlinie zur Behandlung der PTBS im Kindes- und Jugendalter empfiehlt ebenfalls EMDR als evidenzbasierte Methode (neben tfKBT und KID-NET).


3. Abrechnung: ein häufiger Grund für Missverständnisse

Für Erwachsene besteht seit 2016 eine direkte GKV-Abrechnungsmöglichkeit für EMDR bei PTSD. Für Kinder und Jugendliche existiert diese formale Zulassung derzeit noch nicht.

Wichtig ist jedoch:

Das bedeutet nicht, dass EMDR bei Kindern nicht angewendet werden dürfte.


Die KBV und die Psychotherapeutenkammern stellen seit Jahren klar:

„Interventionen aus anderen Therapieschulen dürfen im Rahmen eines anerkannten Richtlinienverfahrens angewendet werden, sofern sie methodenintegrativ begründet und in den Gesamtbehandlungsplan eingebettet sind.“

Damit ist EMDR bei gesetzlich versicherten Kindern und Jugendlichen selbstverständlich zulässig – sofern es im Rahmen des jeweiligen Richtlinienverfahrens (VT, TP, AP) verankert ist.


4. Stand des EMDR-Anerkennungsverfahrens

Der Fachverband EMDRIA Deutschland e. V. hat 2023 erneut einen Antrag auf Anerkennung von EMDR für die Behandlung der PTBS im Kindes- und Jugendalter beim WBP gestellt.

2024 wurde das Verfahren aufgrund einer noch ausstehenden Katamnese-Studie vorübergehend zurückgestellt.

Das wissenschaftliche Gutachten bewertet die Evidenz jedoch klar als „gegeben“.

Sobald die Katamnese-Daten vorliegen, wird der Antrag erneut geprüft.

Übrigens: Nur Fachverbände können solche Verfahren einreichen – ein weiterer Grund, neben der Qualitätssicherung, warum ich EMDRIA-Mitglied bin und den Verband unterstütze.


5. Praktische Hinweise für die Antragstellung (GKV)

Aus der Praxis hat sich folgende Strategie bewährt:

  1. Antrag im jeweiligen Richtlinienverfahren stellen.

  2. Adjuvante Verfahren prüfen:

    • Wenn im Formular keine Abfrage vorgesehen ist → muss EMDR nicht separat erwähnt werden.

    • Wenn adjuvante Verfahren aufgelistet werden sollen → EMDR aufführen und WHO-/AWMF-Empfehlungen als Referenz (s.u.) angeben.

      Alternativ neutral formulieren: „Einsatz bilateraler Stimulation“.

Der Hintergrund: Einzelne Gutachter:innen sind mit der Leitlinienlage zu EMDR nicht vertraut und reagieren auf den Begriff mitunter vorschnell ablehnend. Eine klare, strategische Darstellung ist daher sinnvoll.


6. Braucht es eine Off-Label-Einwilligung? Nein.

EMDR ist in Deutschland kein Off-Label-Verfahren in der Psychotherapie.

Grundlagen der Richtlinienpsychotherapie:

  • Behandelt werden Störungen, nicht Methoden.

  • EMDR ist eine Methode der Traumabearbeitung, die innerhalb der anerkannten Richtlinienverfahren eingesetzt werden kann.

  • EMDR ist – wie unter Punkt 5 beschrieben – für Kinder im GKV-System keine eigenständige abrechnungsrechtliche Therapieform, sondern eine integrative Methode innerhalb des Verfahrens.

➡️ Damit ist EMDR nicht off-label.

➡️ Es braucht keine gesonderte Off-Label-Einwilligung der Sorgeberechtigten.


Eine reguläre psychotherapeutische Aufklärung erfolgt selbstverständlich.

Ich liste im Behandlungsvertrag die von mir genutzten Verfahren und Methoden – darunter auch EMDR – transparent auf, nutze aber keine zusätzliche EMDR- oder Off-Label-Einwilligung.


Nur wenn EMDR außerhalb eines Richtlinienverfahrens im rein privatärztlichen Kontext als alleinstehende Methode eingesetzt würde, wäre eine schriftliche Off-Label-Einwilligung erforderlich.


Literatur

  • World Health Organization. (2013). Guidelines for the management of conditions specifically related to stress.Geneva: WHO.

  • World Health Organization. (2024). Post-traumatic stress disorder: Fact sheet. Geneva: WHO.

  • Rosner, R., Gutermann, J., Landolt, M. A., & Steil, R. (2020). Die neue S3-Leitlinie Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS): Behandlung der PTBS bei Kindern und Jugendlichen. Trauma & Gewalt, 14(2), 132–142.

ree

 
 
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